IFRS 16: Was bringt der neue Standard zur Leasingbilanzierung?

25. Januar 2017 | Lesedauer: 5 Min

Der neue Standard zur Leasingbilanzierung IFRS 16 bringt teilweise gravierende Änderungen für Leasingnehmer und -geber. Worauf Sie sich einstellen sollten und wie Sie sich „fit“ für die neuen Bestimmungen machen, lesen Sie hier.

Am 13. Jänner 2016 hat der International Accounting Standards Board (IASB) sein langjähriges Leasingbilanzierungsprojekt beendet und IFRS 16 betreffend Leasingverhältnisse veröffentlicht. Der bisherige Leasingstandard IAS 17 wird damit ersetzt. IFRS 16 wird wesentliche Auswirkungen auf den Jahresabschluss zahlreicher Leasingnehmer und auch auf langfristige Leasingvereinbarungen haben.

1. Was soll mit IFRS 16 erreicht werden?

IFRS 16 legt die Grundsätze für den Ansatz, die Bewertung, den Ausweis und die Anhangangaben zu Leasingverhältnissen in IFRS Abschlüssen fest. Leasingnehmer und Leasinggeber müssen künftig relevante Informationen für diese Transaktionen zur Verfügung stellen.

Die Qualität des Finanzreportings und die Vergleichbarkeit zwischen den Abschlüssen von Leasingnehmern sollen sich dadurch verbessern. Das soll insbesondere durch ein einziges Bilanzierungsmodell für Leasingnehmer erreicht werden:

  • Es sieht vor, dass in der Bilanz Vermögenswerte aus einem Nutzungsrecht (right-of-use-asset, kurz: RoU) und Verbindlichkeiten aus nahezu allen Leasingvereinbarungen darzustellen sind.
  • Ausnahme: die Leasinglaufzeit beträgt 12 Monate oder weniger, oder es handelt sich um einen geringwertigen Vermögenswert.

2. Auf welche Leasingverträge ist IFRS 16 anzuwenden?

IFRS 16 ist grundsätzlich auf alle Leasingverhältnisse anzuwenden – einschließlich Untermietverhältnisse und Sale-and-Lease-Back-Transaktionen. Ausnahmen gibt es insbesondere bei Leasingverträgen im Zusammenhang mit

  • der Exploration von Bodenschätzen,
  • biologischen Vermögenswerten,
  • Dienstleistungskonzessionsvereinbarungen, sowie
  • bestimmten Rechten im Anwendungsbereich von IFRS 15 (Erlöse aus Verträgen mit Kunden) und IAS 38 (Immaterielle Vermögenswerte).

3. Wann liegt ein Leasingverhältnis vor?

Ein Unternehmen muss bei Vertragsabschluss beurteilen, ob ein Leasingverhältnis vorliegt. Die Definition lautet:

  • Ein Leasingverhältnis liegt vor, wenn dem Leasingnehmer vom Leasinggeber vertraglich das Recht zur Beherrschung eines identifizierten Vermögenswertes für einen festgelegten Zeitraum eingeräumt wird und der Leasinggeber im Gegenzug eine Gegenleistung vom Leasingnehmer erhält.
  • Die Beherrschung über den Leasinggegenstand gilt dann als übertragen, wenn der Leasingnehmer das Recht hat, über die Nutzung des Leasinggegenstandes zu verfügen und ihm während der Laufzeit der Leasingvereinbarung im Wesentlichen der gesamte wirtschaftliche Nutzen zufließt.

4. Was ist zu tun, wenn der Leasingvertrag mehrere Vertragsbestandteile hat?

Ein Unternehmen muss bei Vertragsabschluss beurteilen, ob ein Leasingverhältnis vorliegt. Die Definition lautet:
Für einen Vertrag, der Leasing- und weitere Leasing- bzw. Nicht-Leasingbestandteile enthält – wie beispielsweise das Mieten eines Vermögenswertes und die Bereitstellung eines Wartungsservices – muss der Leasingnehmer die zu zahlende Gegenleistung auf Grundlage der relativen Einzelpreise (stand-alone prices) aufteilen.

Wenn keine beobachtbaren Preise verfügbar sind, sind diese zu schätzen. Der Leasingnehmer kann sich aber auch dafür entscheiden, keine Trennung in Leasing- und Nichtleasingbestandteile vorzunehmen. Stattdessen kann er alle Vertragsbestandteile als eine Leasingvereinbarung bilanzieren.

5. Wann wird IFRS 16 erstmals angewendet?

Die verpflichtende Erstanwendung von IFRS 16 – Leasingverhältnisse erfolgt für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Jänner 2019 beginnen. Eine vorzeitige Anwendung ist möglich, wenn auch IFRS 15 bereits vollumfänglich (vorzeitig, falls vor 1.1.2018) angewendet wird.

Wenn IFRS 16 erstmals angewendet wird, wird ein Wahlrecht eingeräumt, auf eine erneute Beurteilung zu verzichten, ob ein Vertrag ein Leasingverhältnis im Sinne von IFRS 16 enthält oder nicht.

Der Leasingnehmer kann IFRS 16 entweder vollständig retrospektiv unter Einbeziehung früherer Berichtsperioden anwenden. Oder er kann den kumulativen Anpassungseffekt im Zeitpunkt der Erstanwendung als Anpassung der Gewinnrücklagen (oder anderer Eigenkapitalposten, falls zweckmäßig) zu Beginn der Erstanwendungsperiode erfassen.

6. Wie wirkt sich IFRS 16 auf langfristige Mietverträge aus?

Der Haupteffekt der neuen Vorschriften des IFRS 16 besteht in der Erhöhung der Leasing-Vermögenswerte und der Finanzierungsverbindlichkeiten. Im Jahr 2014 gaben die nach IFRS oder US GAAP bilanzierenden börsennotierten Unternehmen nicht bilanzierte Leasingverpflichtungen von nahezu USD 3 Mrd. an. Dementsprechend wird es für Unternehmen und Branchen mit wesentlichen nicht bilanzierten Operating-Leasingverhältnissen und insbesondere mit langfristigen Leasingvereinbarungen zu wesentlichen Änderungen der Finanzkennzahlen kommen, die von den bilanzierten Vermögenswerten und Verbindlichkeiten

abhängen. Das betrifft z.B. Unternehmen in der Flugbranche, im Handel, in der Freizeit- und Reisebranche und in der Transportbranche. Relevant sind z.B. (Netto-)Verschuldungsgrad (Gearing), Working Capital Ratio, Kapitalumschlag (Umsatzerlöse/Bilanzsumme), EBIT, EBITDA.

Es wird erwartet, dass sich die zukünftigen Covenants-Bedingungen (Kreditklauseln) ändern werden. Der IASB erwartet bei den meisten Unternehmen keinen wesentlichen Effekt auf das Eigenkapital – der Effekt wird vom Verschuldungsgrad des Unternehmens, den Leasingbedingungen und dem Verhältnis von Leasingverbindlichkeiten zum Eigenkapital abhängen. Das neue Bilanzierungsmodell wird für Leasingnehmer zu einer Erhöhung des operativen Ergebnisses und der Finanzierungsaufwendungen sowie zu einem höheren EBIT und EBITDA führen.

Insbesondere wird IFRS 16 wohl wesentliche Auswirkungen auf langfristige Miet-/ Leasingvereinbarungen haben. Denn die Höhe der Leasingverbindlichkeiten hängt u.a. von der Höhe der fixen Leasingzahlungen ab und somit vom Umfang der nicht kündbaren Mindestleasingzahlungen unter Berücksichtigung einer Verlängerungsoption, deren Ausübung hinreichend sicher ist.

Dabei sollte allerdings auch beachtet werden, dass die Höhe der Leasingverbindlichkeiten auch abhängt von

  • Variablen Leasingzahlungen, die von einem Index oder einem Kurs abhängen;
  • Variablen Leasingzahlungen, die nicht bei der Bewertung der Leasingverbindlichkeit berücksichtigt
  • werden (zB Umsatzmieten);
  • Forderungen betreffend Leasinganreizen;
  • Restwertgarantien des Leasingnehmers;
  • Hinreichend sicheren Zahlungen für eine Kaufoption;
  • Hinreichend sicheren Entschädigungszahlungen bei vorzeitiger Vertragsbeendigung.

IFRS 16 dürfte also Anreize bieten, die Transaktionen so zu strukturieren, dass die gewünschten Bilanzeffekte erzielt werden. So könnte die Leasingvertragsdauer reduziert oder könnten Leasingzahlungen variabel gestaltet werden, um damit die Leasingverbindlichkeiten zu reduzieren.

7. Welche Effekte könnte der neue Standard auf den Leasingmarkt haben?

Dem IASB ist bewusst, dass die Bilanzierungsänderung einen Effekt auf den Leasingmarkt haben könnte, falls Unternehmen beschließen, mehr Vermögenswerte zu kaufen und folglich weniger Vermögenswerte zu leasen. Fest steht, dass Leasing typischerweise eine Finanzierungsform darstellt, die

  • keine zusätzlichen Garantien erfordert;
  • laufende Erneuerung der Vermögenswerte auf den Letztstand der Technologie anbietet;
  • Zusatzleistungen (zB Wartung von Anlagen) offeriert;
  • Risiko- und Ergebnisteilung zwischen Leasingnehmer und Leasinggeber bietet (zB bei Vereinbarung von umsatzabhängigen Erlösen); oder
  • die Möglichkeit bietet, einen Vermögenswert nur für den benötigten Anteil der wirtschaftlichen Nutzungsdauer zu nutzen.

TPA Tipp:
Sowohl Leasingnehmer als auch Leasinggeber sollten im Hinblick auf IFRS 16 ihre Leasingaktivitäten überprüfen. Dies könnte zu einer Änderung der Leasingvertragsdauer oder zu Änderungen der Zahlungskonditionen führen – oder auf Seite des Leasinggebers das Offerieren zusätzlicher Serviceleistungen bewirken.

Noch liegt die tatsächliche verpflichtende Anwendung von IFRS 16 „in weiter Ferne“. Dennoch sollten Unternehmen sicherstellen, dass die implementierten Systeme und Prozesse alle Leasingverhältnisse identifizieren und jene Informationen erfassen, die für die Bewertung der RoU-Vermögenswerte und der Leasingverbindlichkeiten und für die neuen Anhangangaben erforderlich sind.